Warum klimafreundliche Produkte billiger wirken müssen

May 15, 2025

Warum klimafreundliche Produkte billiger wirken müssen

Mit Green Nudging überzeugt man Menschen, klimafreundliche Entscheidungen zu treffen. Wie das geht, verrät Verhaltensökonomin Sille Krukow im Interview.

Green Nudging nutzt subtile Sinnesreize, um das Verhalten der Menschen in eine gewünschte Richtung zu lenken. Mit welchen Themen kommen Ihre Kunden zu Ihnen?

Wir arbeiten mit Regierungen, Unternehmen und Organisationen zusammen, die ihre ESG-Ziele erreichen wollen, aber nicht wissen, wie. Zunächst definieren wir das konkrete Ziel, zum Beispiel die verstärkte Nutzung von Reparaturdiensten oder die richtige Mülltrennung. Das zu definieren, ist der schwierigste Teil. Durch Besuche vor Ort oder Online-Studien erfassen wir Verhaltensmuster: Wie bewegen sich die Menschen in einem bestimmten Gebiet und womit interagieren sie auf natürliche Weise? Dazu sammeln wir digitale Daten und Beobachtungen und wenden einen der rund 400 Grundsätze für Verhaltensänderungen an, die wir entwickelt haben.

Welche Prinzipien sind das?

Ein Beispiel sind visuelle Leitfäden – die meisten Menschen orientieren sich visuell, wie etwa an Fußgängerampeln mit Farbwechsel. Andere Prinzipien, die wir nutzen, sind Erinnerungssysteme, Feedback-Mechanismen oder Standardeinstellungen. Diese greifen auf menschliche Instinkte zurück, die überall auf der Welt funktionieren. Natürlich passen wir die Prinzipien an die jeweiligen kulturellen und länderspezifischen Gegebenheiten an.

Sie haben als gelernte Grafikdesignerin begonnen. Gab es einen Wendepunkt, der Sie von Ihrem ursprünglichen Beruf zur Verhaltensforschung geführt hat?

Ich habe an der Royal Danish Design Academy studiert und früh mein Interesse für soziale Themen entdeckt. Mein Bachelor-Projekt 'Penguin Army', eine rebellische Klima-Community, motivierte junge Menschen zu klimafreundlichen Entscheidungen. MTV finanzierte das Projekt und ermöglichte mir, es in ganz Skandinavien umzusetzen. Dabei erkannte ich schnell die Herausforderung, das Verhalten tatsächlich zu messen – ein Wendepunkt, der mein Interesse an Verhaltenswissenschaft weckte.

Was haben Sie herausgefunden?

Farben, Icons, Bilder, Töne, Platzierung und Geruch spielen eine wichtige Rolle bei messbaren Verhaltensänderungen. Die Wirkung von Farben ist kontextabhängig. In einer Fallstudie mit COOP, einem nordischen Einzelhändler, wollten wir klimafreundliches Einkaufsverhalten fördern – mehr Obst, Gemüse und Geflügel. Gelb war der stärkste Auslöser, weil es mit Schnäppchen und Discountpreisen assoziiert wird. Fazit: Klimafreundliche Produkte müssen billiger wirken, damit sie gekauft werden.

Diese Art der Manipulation der intuitiven Präferenzen der Menschen scheint so stark zu sein, dass die Europäische Kommission reagiert hat.

Die EU hat eine Richtlinie erlassen, die die Verwendung der Farbe Gelb für klimafreundliche Produkte verbietet, weil sie als manipulativ angesehen wird. Manipulation wird oft als negativ angesehen, aber wir Menschen beeinflussen einander seit wir das erste Mal um ein Lagerfeuer saßen. Green Nudging setzt hier an, indem es Entscheidungen erleichtert, die sich auf unsere Umwelt und unser Wohlbefinden auswirken. Es geht nicht darum, zu täuschen, sondern darum, nachhaltige Entscheidungen leichter zugänglich zu machen. Wir sind lange Zeit zu Zucker, fossilen Brennstoffen und anderen ungesunden Lösungen gedrängt worden. Für mich geht es bei der Bewegung, der ich angehöre, darum, unsere Wahlmöglichkeiten zu erweitern.

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Was ist Nudging?

Beim Nudging geht es darum, jemanden auf subtile Weise dazu zu bewegen, bestimmte Handlungen auszuführen oder zu unterlassen, die mit den individuellen Zielen wie Wohlbefinden, Gesundheit und Glück, übereinstimmen. Dies kann durch eine bestimmte Produktpräsentation oder Information geschehen oder durch Standardeinstellungen, wobei die Wahlfreiheit immer erhalten bleibt. Verbote, Befehle oder wirtschaftliche Anreize gelten daher nicht als Nudges. Das Konzept stammt aus der Verhaltensökonomie und wurde 2008 von Richard Thaler und Cass Sunstein in ihrem Buch „Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ vorgestellt.

3 Green-Nudging-Projekte von Sille Krukow

Grün riecht gut: Ein globaler Konsumgüterhersteller wollte seine Kunden dazu bringen, auf Shampoo in Nachfüllbeuteln umzusteigen. Es stellte sich heraus, dass Nudging hier sehr geschlechtsspezifisch funktionierte: Frauen ließen sich von Bildern auf der Verpackung überzeugen, die mit duftenden Inhaltsstoffen und schönem Haar zu tun hatten, während Männer intuitiv auf visuelle Auslöser reagierten, die auf ein gutes Schnäppchen hindeuteten.

Wahrgenommenes Wetter: Für ein Energiesparprojekt in Dänemark wurde das Heizverhalten von 800 Haushalten mit Hilfe von Smart-Metern untersucht. Das Ergebnis: Selbst bei Temperaturen von 17 bis 18 Grad empfanden die Probanden eine angenehme Wärme, sofern ein visueller Hinweis eine angenehme Temperatur nahelegte. Auch das Wetter draußen spielte eine Rolle bei der Wahrnehmung der Innentemperatur. War es bewölkt und grau, empfanden die Studienteilnehmer schneller Kälte. "Temperaturwahrnehmung ist etwas sehr Irrationales“, sagt Sille Krukow.

Sichtbar gesund: Auch im Nahen Osten ist Fettleibigkeit, besonders bei Jugendlichen, ein Problem. Einige Länder haben sogar höhere Raten als die USA. Sille Krukow und ihr Team entwickeln in Zusammenarbeit mit Regierungen innovative Strategien zur Verhaltensänderung, etwa für McDonald's. Gesunde Optionen wie Salate und Vollkornprodukte werden auf Speisekarten und Bildschirmen hervorgehoben, während fett- und zuckerhaltige Produkte in den Hintergrund treten, um gesündere Entscheidungen zu fördern.

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Zur Person

Sille Krukow, international führende Expertin für Green Nudging und Behavioral Design, kombiniert kreatives Design mit kognitiver Psychologie, um klimafreundliches Verhalten zu fördern. Durch den gezielten Einsatz von Farben, Bildern und Tönen verstärkt sie nachhaltige Entscheidungen. Zu ihren Kunden zählen internationale Unternehmen wie P&G, Heineken und Electrolux sowie Organisationen wie die Europäische Kommission.

www.krukow.net

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